Nachbericht zur 22. Musikwoche Löwenstein

Wiederentdeckungen sind keine Ausnahme bei der jährlichen Musikwoche der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa (GDMSE). Im Gegenteil: Sie gehören zum Programm der Veranstaltung, bei der wie nirgendwo anders unbekannte Werke deutscher Komponisten aus Südosteuropa zutage gefördert werden. Die europäische Erstaufführung von Carl Filtschs Konzertstück für Klavier und Orchester am 14. April in der Johanneskirche Weinsberg darf dennoch als Höhepunkt in 22 Jahren Musikwoche bezeichnet werden.

Filtsch nämlich gehört zu den nicht gar so zahlreichen Figuren der siebenbürgischen Musikgeschichte, die Weltstars in ihrer Zeit waren. Der 1830 geborene Mühlbacher spielte nicht nur himmlisch Klavier und war Schüler von Chopin und Liszt - er improvisierte und komponierte auch selbst. Etliche Stücke des so früh Verstorbenen sind auf CD verewigt und auch Dank des Carl-Filtsch-Wettbewerbs in Hermannstadt nicht mehr gänzlich unbekannt.

 

Das Konzertstück D-Dur für Klavier und Orchester (1844) indes galt bis vor etwa eineinhalb Jahren als verschollen - bis der amerikanische Musikwissenschaftler und Harvard-Professor Ferdinand Gajewski die Noten in einem englischen Privatarchiv entdeckte. Nachkommen von Filtschs älterem Bruder Joseph müssen im Besitz der Partitur gewesen sein, die inzwischen digital gesetzt wurde und gegen Bezahlung im Internet verfügbar ist. Noch nicht aufgeführt wurde eine ebenfalls vor kurzem gefundene Ouvertüre von Filtsch.

 

Solistin der Erstaufführung in Weinsberg war die Münchner Pianistin Janina Hofmann, die zugleich promovierte Musikwissenschaftlerin ist und eine glühende Verehrerin der Musik von Carl Filtsch. Entsprechend engagiert und virtuos, zugleich feinfühlig, leicht und transparent zeichnete sie dieses erstaunliche und oft genug an Chopin gemahnende Werk eines empfindsamen Jugendlichen.

 

Das Orchester der Musikwoche mit zahlreichen Jugendlichen (viele ähnlichen Alters wie Filtsch im Jahr 1844) hatte wenige Tage vor dem Konzert zum ersten Mal geprobt und zog sich unter Leitung des Öhringer Dirigenten Marco Lechler sehr achtbar aus der Affäre. Ebenso gemeinsam mit dem 40-köpfigen Musikwochen-Chor und vier Solisten (Johanna Boehme, Renate Dasch, Hans Straub und Hals Ulrich Zeeb) bei Franz Hübls "Missa solemnis". Das schmissige Werk beruht auf Teilen der Oper "Joseph" des bekannten französischen Komponisten Méhul, die Franz Hübl, über den man sonst kaum etwas weiß, anlässlich der Erhebung der Stadt Arad zur königlichen Freistadt im 1834 komponierte. Entdeckt und für die Praxis eingerichtet wurde die Komposition von Dr. Franz Metz, dem Vorsitzenden der GDMSE. Ein ebenfalls im Abschlusskonzert aufgeführte Motette von Franz Xaver Dressler hat Frieder Latzina, ebenfalls Mitglied der GDMSE, verlegt.

 

Es wäre freilich ungerecht, neben Messe und Konzertstück andere Glanzpunkte der Musikwoche zu verschweigen, an der - in der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein - wieder deutlich über 100 Musikerinnen und Musik teilnahmen. Einen exzellenten Beitrag zum Abschlusskonzert lieferten auch der über 30-köpfige Jugendchor unter Leitung von Gertraud Winter-Sailer (Augsburg) und ein von Aurel Manciu (Waldkirch) geführtes Blechbläserquintett.

 

Und da war natürlich noch das Dozentenkonzert am 10. April in der Gundelsheimer Deutschmeisterhalle, bei dem die Querflöte ganz im Mittelpunkt stand: in Quartetten von Mozart und Michael Haydn (mit Wolfgang Meschendörfer, Flöte; Harald Christian, Violine; Christa Gross-Depner, Viola und Ilse Herbert-László, Cello) und in Hans Peter Türks bewegender Suite (1987), die hier von Bärbel Tirler und dem Pianisten Christian Turck gespielt wurde. Im gleichen Konzert sangen Johanna Boehme, Hans Straub und Renate Dasch (begleitet von Liane Christian) Lieder des im Banat wirkenden Komponisten Heinrich Weidt (1824-1901). Über ihn wird bald eine Biografie erscheinen.

 

Im internen Ablauf wurde erneut die große Integrationskraft der Musikwoche deutlich, in der sich Kinder und Jugendliche ebenso aufgehoben fühlen konnten wie Erwachsene, Profis wie Laien, Anfänger wie Fortgeschrittene. Das Spektrum der Darbietungen bewegte sich bei den vier (!) Teilnehmerkonzerten zwischen ersten Tönen begeisterter Instrumentalanfänger auf der einen und konzertreifen Beiträgen von Fast-Profis auf der anderen Seite.

 

Eine abermalige Bereicherung waren fünf junge Musiker aus Klausenburg, die durch Vermittlung der Pianistin Gerda Türk an der Musikwoche teilnahmen. Bewährt und zum kleinen Teil erneuert war das Dozententeam mit Harald Christian, Violine, Ilse Herbert-László, Cello, Liane Christian und Christian Turck, Klavier, Bärbel Tirler, Holzbläser. Hanna König, Blockflöten; Aurel Manciu, Blechbläser, Renate Dasch, Gesang, Gertraud Winter-Sailer, Jugendchor und musikalische Früherziehung, Bettina Meltzer, Tanz. Die Organisation lag in Händen von Wolfgang Meschendörfer und Johannes Killyen.

 

Ebenfalls ein Garant für den Erfolg der Musikwoche: Die Unterstützung durch das baden-württembergische Innenministerium, die Stadt Gundelsheim, die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, das Kulturreferat für Südosteuropa im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, die HOG Kronstadt und die HG Hermannstadt. Zu ihrem zehnjährigen Bestehen hat die GDMSE ein neues Faltblatt und neue Plakate vorgelegt. Ihnen ist das Motto "Entdecken, Bewahren, Erleben" überschrieben. Zu neuen Ehrenmitgliedern wurden die Organisten, Musikforscher und Kirchenmusiker Horst Gehann und Helmut Plattner ernannt.

 

Johannes Killyen