Nachbericht zur 23. Musikwoche Löwenstein

Ein neuer Teilnehmerrekord, mehr als 50 Prozent Kinder und Jugendliche - und das vielleicht beste Abschlusskonzert in 23 Jahren: Diese Schlaglichter genügen bereits, um deutlich zu machen, dass die Musikwoche Löwenstein der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa (GDMSE) auch in einem knappen Vierteljahrhundert kein bisschen alt geworden ist. Vom 24. bis 30. März fand sie nahe Heilbronn zum 23. Mal statt.

Weil das traditionelle Dozentenkonzert aus organisatorischen Gründen diesmal nicht eingeplant war, erhielt das Abschlusskonzert am 29. März in der Weinsberger Johanneskirche von selbst mehr Gewicht. Doch nicht nur deshalb: Erstmals (und glücklicherweise nicht zum letzten Mal) lag die Gesamtleitung von Chor und Orchester in den Händen von Prof. Heinz Acker. Er studierte mit den Ensembles der Musikwoche die Pfingstkantate des Kronstädter Komponisten Johann Lukas Hedwig (1802-1849) ein und den ersten Teil seiner eigenen Variationen über das Lied "Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren".

 

Acker, der das renommierte Jugendsinfonieorchester Bruchsal gegründet und viele Jahre lang geleitet hat, nahm mit seinem ruhigen, bestimmten und zugleich mitreißenden Stil die Sänger und Instrumentalisten schon bei der ersten Probe für sich ein. Während er selbst sich besonders intensiv dem mit großem Streicher- und vollem Bläsersatz ausgestatteten Orchester widmete, wurde der Chor von den Dirigenten Xaver Detzel und Christian Turck auf das Konzert vorbereitet: eine sinnvolle Arbeitsteilung, die sich in einer höchst gelungenen Aufführung niederschlug. Da gab es reichlich Applaus von den über 200 Zuhörern.

 

Zu dem Erfolg trug die kompositorische Qualität der beiden Hauptwerke maßgeblich bei. Die musikantisch, ähnlich dem Stile Joseph Haydns gearbeitete Pfingstkantate von Johann Lukas Hedwig, hatte Heinz Acker, der emeritierte Professor für Musiktheorie an der Musikhochschule Heidelberg, nicht unwesentlich bearbeitet. Satzfehler, unschlüssige Harmonien hatte er korrigiert und manche Passagen sogar neu komponiert. Das Ergebnis wurde vom Musikverleger Frieder Latzina editiert und konnte sich hören lassen.

 

Übrigens war die Aufführung von Hedwigs Pfingstkantate in der Weinsberger Johanneskirche wohl eine Uraufführung: Der Komponist hatte mit gleicher Musik, aber anderem Text zwar eine Festkantate zur Einweihung der Kronstädter Buchholz-Orgel im Jahr 1839 geschrieben. Eine komplette Interpretation des Werkes mit seinem groß besetzten Anfangs- und Schlusschor ist zu Lebzeiten Hedwigs jedoch nicht belegt und unwahrscheinlich.

 

Favorit des Ensembles waren freilich Heinz Ackers eigene Variationen über Fred Raymonds unvergängliche Melodie "Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren": die inoffizielle Hymne Heidelbergs, die deren Bild als Stadt romantischer Liebe weiter trug. Der doppeldeutige Titel "ungehaltene Liebeserklärungen von Bach bis Mussorgsky" lässt erkennen, dass es sich um Stilvariationen handelt: Wie hätte es geklungen, wenn Bach, Mozart oder andere "alte Meister" der Stadt Heidelberg eine Liebeserklärung gemacht hätten? Allerdings ist die Art und Weise der stilistischen Einkleidung eine besondere: In kontrapunktischer Schichtung werden das Original (etwa Schumanns Lieder "Er, der Herrlichste von allen" oder "Wenn ich ein hübscher kleiner Vogel wär'" aus den Brahms'schen Liebeslieder-Walzern) und die Heidelberg-Melodie so übereinander geschichtet, dass daraus etwas ganz Neues entsteht.

 

Alle Mitwirkenden war bei den Variationen voll gefordert: Der Chor hatte sich in Heinrich Isaaks "Innsbruck"-Lied ebenso zurecht zu finden wie in einer ausgewachsenen Fuge, die Bach selbst geschrieben haben könnte. Das Orchester musste einen romantischen Tuttiklang ebenso gestalten wie ein durchsichtiges Mozart-Andante. Und die Solisten (lyrisch und glanzvoll: Johanna Boehme, Sopran, und Hans Beatus Straub, Tenor) verwandelten sich in wenigen Augenblicken vom Bach-Evangelisten in einen Mozart-Tenor, von Glucks Eurydike in Schumanns Clara. Hans Straub setzte dem Werk mit köstlichen Erläuterungen ein Sahnehäubchen auf.

 

Doch das Abschlusskonzert - ein schöner Querschnitt durch die Arbeit der Musikwoche - hatte noch mehr zu bieten: einen hervorragend eingestellten, 40-köpfigen Jugendchor, mit dem Gertraud Winter-Sailer stimmungsvolle A-cappella-Sätze einstudiert hatte. Und ein strahlendes barockes Trio für zwei Trompeten und Orgel mit Oliver Christian, Corinna Wanko (Trompeten) und Liane Christian (Orgel).

 

Im internen Ablauf wurde erneut die große Integrationskraft der Musikwoche deutlich, in der sich Kinder und Jugendliche ebenso aufgehoben fühlen konnten wie Erwachsene - Profis wie Laien, Anfänger wie Fortgeschrittene: alles in allem 124 Personen. Das Spektrum der Darbietungen bewegte sich bei den vier Teilnehmerkonzerten zwischen ersten Tönen begeisterter Instrumentalanfänger auf der einen und konzertreifen Beiträgen von Fast-Profis auf der anderen Seite.

 

Eine große Bereicherung waren drei junge Musiker aus dem rumänischen Reschitza, die gemeinsam mit einer Lehrerin - durch Vermittlung des GDMSE-Vorsitzenden Dr. Franz Metz - an der Musikwoche teilnahmen. Bewährt und zum kleinen Teil erneuert war das Dozententeam mit Harald Christian (Violine), Jörg Meschendörfer (Cello), Liane Christian (Klavier), Johanna Boehme (Gesang), Christian Turck (Klavier, Chor), Xaver Detzel (Chor), Bärbel Tirler (Holzbläser), Hanna König (Blockflöten), Aurel Manciu (Blechbläser), Gertraud Winter-Sailer (Jugendchor und musikalische Früherziehung) und Bettina Meltzer (Tanz). Die Organisation lag in Händen von Wolfgang Meschendörfer und Johannes Killyen.

 

Ebenfalls ein Garant für den Erfolg der Musikwoche: Die Unterstützung durch das baden-württembergische Innenministerium, das Kulturreferat für Südosteuropa im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, die HOG Kronstadt, die HD Hermannstadt, die Evangelische Tagungsstätte Löwenstein und die Johannesgemeinde Weinsberg.

In der Mitgliederversammlung der GDMSE wurde unter anderem des Todes der beiden Ehrenmitglieder Horst Gehann und Robert Rohr gedacht. Neu in den Vorstand aufgenommen wurde Prof. Heinz Acker, die Aufgabe des Kassenwartes übernahm - als Nachfolger von Hans Günther Seiwerth - Richard Witsch. Die anwesenden Mitglieder beschlossen zudem einstimmig, die geplante Aufnahme der Matthäuspassion des Klausenburger Komponisten Hans Peter Türk mit einer Summe von 1.500 Euro zu unterstützen.

 

Johannes Killyen