Nachbericht zur 24. Musikwoche Löwenstein

Standen in früheren Jahren als Hauptwerke meist Kompositionen des 18. oder 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt der Löwensteiner Musikwoche, so wurde bei der 24. Auflage vom 13. bis 19. April ein jüngeres Kapitel der musikalischen Zeitgeschichte beleuchtet.

Aufgeführt wurden im Abschlusskonzert am 18. April in der gut besuchten Johanneskirche Weinsberg die beinahe legendäre Trauerkantate op. 105 von Paul Richter (1875-1950) und Auszüge aus dem Oratorium "Cantica humana" von Franz Xaver Dressler (1898-1981): beides Bekenntniswerke, wenn auch aus durchaus unterschiedlicher Motivation heraus.

Während Richter seine Trauerkantate 1931 unter dem Eindruck des plötzlichen Todes seines Freundes Julius Lang schrieb und - ähnlich wie Brahms in seinem Requiem - dafür vorwiegend eigene Texte (aber auch Worte des Theologen Franz Dibelius) verwandte, war die "Cantica humana" 1964 die Antwort des evangelischen Kirchenmusikers Dressler auf den ungeheuren politischen Druck des kommunistischen Regimes.

 

Zweimal schon war der aus Außig an der Elbe stammende Dressler zur Zwangsarbeit an den Donau-Schwarzmeer-Kanal geschickt worden. Wollte er in Hermannstadt überhaupt noch als Kirchenmusiker tätig sein, blieben nur Zugeständnisse an die Partei. Mit der "Cantica humana" schrieben Dressler und seine Frau (als Textdichterin) gewissermaßen eine musikalische Geschichte des Klassenkampfes. Zeitzeugen berichten von einer Art "Tauschgeschäft", bei dem als Gegenleistung zum Beispiel die Möglichkeit winkte, das Requiem von Brahms aufzuführen.

 

Gemeinsam mit dem Musikverleger Frieder Latzina (Musiknotenverlag Latzina Karlsruhe) hatte Heinz Acker, emeritierter Professor an der Musikhochschule Heidelberg und musikalischer Leiter der Ensembles der Musikwoche, in monatelanger Arbeit die Partituren durchgesehen und gestrafft, hatte die Besetzung auf die Verhältnisse der Musikwoche angepasst und von der "Cantica humana" diejenigen Teile ausgewählt, die auch heute noch aufgeführt werden können.

 

Die Zuhörer konnten am 18. April eine bisweilen sicher sperrige, aber oft auch ungeheuer effektvolle und durchschlagende, emphatische Musik erleben, die seit vielen Jahrzehnten nicht mehr erklungen und ein wichtiges Zeugnis siebenbürgisch-sächsischer Nachkriegsgeschichte ist.

 

Die Trauerkantate von Paul Richter ist freilich noch mehr: ein zutiefst berührendes spätromantisches Klagelied mit grandioser Wendung zum Auferstehungsjubel - ein Werk, das in jedem Konzertsaal bestehen könnte. Schade, dass es sonst so gut wie nie zu hören ist.

 

Wie Chor und Orchester der Löwensteiner Musikwoche die "Schwergewichte" von Dressler und Richter unter Leitung von Heinz Acker in nicht einmal einer Woche zur Aufführungsreife brachten, das war ein bewundernswerter Kraftakt. Neben Acker sorgten Konzertmeister Harald Christian und beim Chor Xaver Detzel und Christian Turck dafür, dass viele Laien und einige Profis, Musiker aller Altersklassen zu einer Einheit wurden.

 

Zusätzliche Glanzlichter setzten als Solisten Johanna Boehme (Sopran), Renate Dasch (Alt), Hans Straub (Tenor), Dieter Rell (Bariton) sowie Anna und Jakob Boehme und Theresa Tirler (Kinderstimmen). Ein ganz eigenes Gewicht hatte wie in den vergangenen Jahren der bemerkenswerte Auftritt des über 40-köpfigen Jugendchores der Musikwoche unter Leitung von Gertraud Winter.

 

Bereits am 14. April hatte in der Deutschmeisterhalle Gundelsheim ein öffentliches Kammerkonzert mit Dozenten der Musikwoche stattgefunden, bei dem unter anderem Werke von Helmut Sadler, Heinrich Neugeboren, Waldemar von Bausznern und Hermann Klee aufgeführt wurden.

 

Besonders interessant der Lebensweg des wenig bekannten Komponisten Hermann Klee (1883-1970), der in der Nähe von Kiel geboren wurde, einige Zeit Kontrabassist bei den Berliner Philharmonikern, dann aber ab 1909 in Siebenbürgen und Rumänien tätig war: Zuerst als Kirchenmusiker in Bistritz, später in unterschiedlichen Funktionen an den Opernhäusern von Bukarest und Temeswar. Von ihm stammt die rumänische Nationaloper "Fat frumos", doch hat er auch reizende Klavierlieder auf Texte von Hesse, Greiner und Ritter komponiert, die in Gundelsheim aufgeführt wurden.

 

Ausführende des Dozentenkonzerts waren Johanna Boehme, Renate Dasch, Hans Straub (Gesang), Bärbel Tirler (Flöte), Hannelore Wagner (Klarinette), Harald Christian (Violine), Jörg Meschendörfer (Cello), Liane Christian (Klavier), Oliver Christian (Trompete) und Christian Turck (Klavier). Die Moderation übernahm Johannes Killyen.

 

Neben den zwei öffentlichen Konzerten war bei der Musikwoche immer noch Platz für Kammermusik, Sologesang, Salonorchester und manch andere - vor allem musikalische -Betätigung. Mehrere Vorspielabende gaben auch den jüngsten Teilnehmern die Möglichkeit, erste Bühnenerfahrung zu sammeln. Darüber hinaus bereicherten vier junge Musikstudenten und eine Lehrerin aus den rumänischen Städten Reschitz und Klausenburg die Woche. Sie waren von der GDMSE eingeladen worden, um in Löwenstein einen Kulturaustausch zwischen Jugendlichen zu ermöglichen.

 

Auch in diesem Jahr war die Musikwoche - in der frühsommerlichen Atmosphäre der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein in der "Schwäbischen Toskana" - mit über 100 Teilnehmern wieder so gut wie ausgebucht. Ihnen zur Seite standen als Dozenten Prof. Heinz Acker (Gesamtleitung der Ensembles), Harald Christian und Christa Gross-Depner (hohe Streicher), Jörg Meschendörfer (tiefe Streicher), Liane Christian und Christian Turck (Klavier), Johanna Boehme (Gesang), Hannah König (Blockflöten), Bärbel Tirler (Holzbläser), Aurel Manciu (Blechbläser), Gertraud Winter (Jugendchor, Musikalische Früherziehung), Xaver Detzel (Chor) und Bettina Meltzer (Tanz). Die Gesamtleitung hatten Wolfgang Meschendörfer (auch verantwortlich für das Salonorchester) und Johannes Killyen.

 

Treue Förderer und Unterstützer der Musikwoche waren das Innenministerium Baden-Württemberg, das Referat für Südosteuropa im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, die HD Hermannstadt, die HOG Kronstadt, die Stadt Gundelsheim und die Evangelische Kirchengemeinde Weinsberg.

 

Bei der Mitgliederversammlung der GDMSE am 18. April in Löwenstein, die der Vorsitzende Dr. Franz Metz leitete, wurde Bettina Meltzer zur neuen Kassenwartin des Vereins gewählt. Weiter wurde unter anderem die nächste Auflage der Löwensteiner Musikwoche besprochen, die 2010 zum 25. Mal stattfinden wird. Auch der Vorstand der GDMSE soll dann neu gewählt werden.

 

Johannes Killyen