Nachbericht zur 25. Musikwoche Löwenstein

Musikwoche mit Rekordbeteiligung

Ausnahmecellist Götz Teutsch spielte Solopart der Uraufführung von Paul Richters Cellokonzert 

 

Zu ihrem 25-jährigen Bestehen hat die Löwensteiner Musikwoche nicht nur einen neuerlichen Rekord bei den Teilnehmerzahlen erreicht. Zum Abschluss der traditionsreichen Veranstaltung stand mit Paul Richters Cellokonzert zudem eine Aufsehen erregende Uraufführung auf dem Programm, in der als Solist kein Geringerer als Götz Teutsch auftrat: gebürtiger Hermannstädter und ehemaliger Solocellist der Berliner Philharmoniker.

 

Fast alle der 135 Teilnehmer und Dozenten wirkten im Abschlusskonzert am 10. April in der Stiftskirche Öhringen mit, das eindrucksvoll unter Beweis stellte, zu welch musikalischer und logistischer Leistung ein bunter Haufen von begeisterten Laienmusikern allen Alters fähig ist. Voraussetzung dafür waren neben Enthusiasmus und Disziplin freilich die ordnenden Hände von Prof. Heinz Acker (Gesamtleitung Chor und Orchester), Gertraud Winter-Sailer (Jugendchor), Harald Christian (Konzertmeister) sowie Xaver Detzel und Christian Turck (Einstudierung Chor).

 

Enthusiasmus und viele Jugendliche

 

Ein derartiges Großereignis war vor 25 Jahren noch nicht einmal zu erahnen; damals und auch in vielen Musikwochen-Jahren seither war nicht an solch einen schlagkräftigen Chor zu denken, oder an ein Orchester, das jetzt selbst im weiten Chorraum der Öhringer Stiftskirche kaum noch Platz fand. An den Pulten saßen ja wie geschrieben kaum Profis oder angehende Studenten, sondern überwiegend Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren. Um den Nachwuchs braucht sich die Musikwoche nicht zu sorgen.

 

Umso erstaunlicher, welch einen üppigen spätromantischen Klang dieses Ensemble nach einer Woche harter Probenarbeit entwickelt hatte: Grundlage für eine gelungene Uraufführung des Cellokonzertes von Paul Richter (1875-1950), der sicherlich zu den wichtigsten Komponisten der siebenbürgischen Musikgeschichte zählt.

 

Unterschätztes Cellokonzert

 

Umso verwunderlicher die unglückliche Historie des 1937 komponierten a-Moll-Cellokonzertes, das der Spätromantik verpflichtet ist und sich in die Klangwelt eines Strauss, Wagner und auch Bruckner hinein begibt, ohne dabei eklektizistisch zu sein; ein Stück, das dem Solisten höchste Ausdruckskraft und zugleich Virtuosität abverlangt und das von dem Kontrast zwischen inniger Kontemplation und glutvoller Kraft lebt. Das Cellokonzert ist dem Berliner Virtuosen Adolf Steiner gewidmet, der eine Aufführung wegen vermeintlicher Unspielbarkeit ablehnte - dabei hätte er den Komponisten vielleicht nur etwas bei der letzten Feinarbeit unterstützen müssen.

 

In Öhringen waren - herausgegeben von Frieder Latzina und eingerichtet von Prof. Heinz Acker - nur die ersten beiden Sätze zu hören. Sie reichten jedoch vollkommen aus, um das Cellokonzert für weitere Aufführungen zu empfehlen. Für die Löwensteiner Musikwoche jedenfalls war die Tatsache, dass Götz Teutsch sich als Solist für Richters Spätwerk engagierte, ein Geburtstagsgeschenk, wie man es sich nicht schöner vorstellen konnte.

 

Doch war in dem Abschlusskonzert ja noch viel mehr zu erleben: ein beinahe 50-köpfiger Jugendchor, der mit durchsichtigem, frischem Klang vom strahlenden Blechbläserensemble der Musikwoche den Staffelstab übernahm. Und am Ende eine herrlich musikantische "Missa solemnis", die der spätere Temeswarer Domkapellmeister Franz Limmer (1808-1857) im zarten Alter von 17 Jahren in Wien komponierte: Ein Fest für Chor, Orchester und das Solistenquartett mit Johanna Boehme (Sopran), Renate Dasch (Alt), Hans Straub (Tenor) und Dieter Rell (Bass).

 

Kammerkonzert in Gundelsheim

 

Die "Außenwirkung" der Musikwoche hatte bereits am 6. April mit einem Kammerkonzert in der Deutschmeisterhalle Gundelsheim begonnen, das in gewohnter Vielfalt Siebenbürgisches mit Nicht-Siebenbürgischem kombinierte. Und noch einmal in Erinnerung rief, welch unschätzbares Forum die Musik deutscher Komponisten aus Südosteuropa in dieser Musikwoche hat. Eine Bestandsaufnahme aus 25 Jahren würde gewiss eine Zahl von mehreren Hundert Werken ergeben, die an anderer Stelle kaum eine Chance gehabt hätten, aufgeführt zu werden. Und dies gewiss nicht in Ermangelung ihrer Qualität.

 

Im Kammerkonzert der Musikwoche begegnete man mit Waldemar von Baußnern (Suite für Klarinette und Klavier), Helmut Sadler ("Die Glocke" für Sopran, Alt und Klavier), Dieter Acker (Diptychon für Cello solo) und Paul Richter (Sonatine für Violine, zwei Celli und Klavier) guten alten Bekannten. Doch mit Bertha von Brukenthal (1846-1908), der angeheirateten Nachfahrin des großen Samuel von Brukenthal, wurden die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer auf eine bis dahin völlig unbekannte Komponistin aufmerksam. Lieder und Kammermusik aus ihrer Feder sind durchaus mehr als nur gefällig.

 

Der "Alltag" der Musikwoche spielte sich wie immer in der Abgeschiedenheit der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein, mitten in der "Schwäbischen Toskana" nahe Weinsberg ab - ein alles andere als geruhsamer Alltag. Denn vom musikalischen Wecken bis zu spätnächtlichen Proben war die ganze nachösterliche Woche wieder einmal von Musik erfüllt. Man probte tagsüber und kam abends zu mannigfaltigen hausinternen Konzerten zusammen, bei denen selbst ganz junge Talente die erste Bühnenerfahrung sammeln konnten.

 

Gastmusiker aus Rumänien

 

Ein weiterer Höhepunkt war das Konzert von Gastmusikern aus Rumänien, die in wechselnder Besetzung Jahr für Jahr die Musikwoche bereichern. Zwischen den Stücken berichtete die Musikwissenschaftlerin Dr. Rita Fischer von ihren Forschungen über die erwähnte Komponistin Bertha von Brukenthal. Und auch Götz Teutsch, der der Musikwoche nicht nur als Solist, sondern auch als Dozent verbunden war, steuerte einprägsame Episoden aus seinem Leben unter anderem im Dienste der Berliner Philharmoniker bei.

 

Dozenten der diesjährigen Musikwoche waren Harald Christian (Geigen), Christa Gross-Depner (Bratschen), Götz Teutsch (Cello), Hannelore Wagner (Holzbläser), Iris Lichtinger (Blockflöten), Aurel Manciu (Blechbläser), Johanna Boehme (Gesang), Prof. Heinz Acker (Chor/Orchester), Liane Christian (Klavier), Xaver Detzel (Chor), Christian Turck (Klavier / Chor), Gertraud Winter-Sailer (Jugendchor, Musikalische Früherziehung) und Stephanie Häusinger (Kinderbetreuung). Die Gesamtleitung hatten Johannes Killyen und Bettina Wallbrecht.

 

Dank an Sponsoren

 

Folgenden Unterstützern ist die Musikwoche Löwenstein zu Dank verpflichtet: Innenministerium Baden-Württemberg, Kulturreferentin für Südosteuropa beim Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm, HOG Kronstadt, HD Hermannstadt, Nachbarschaft Zeiden, Stadt Gundelsheim.

 

Bei der vom Vorsitzenden Dr. Franz Metz geleiteten Mitgliederversammlung der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa am 10. April (die die Musikwoche trägt) wurde unter anderem des Todes von Prof. Dr. Ferenc László gedacht, einem Klausenburger Musikwissenschaftler und Pädagogen, der sich neben seinen Forschungen über Béla Bartók auch um die Musikkultur der deutschen Komponisten in Südosteuropa verdient gemacht hat.

 

Neuwahl Vorstand

 

Bei Neuwahlen während der Mitgliederversammlung wurde der bisherige Vorstand der GDMSE in seinem Amt bestätigt. Neues Vorstandsmitglied ist die Sängerin Renate Dasch aus Berlin. Kassenwartin ist Bettina Wallbrecht.

 

Johannes Killyen