Nachbericht zur 31. Musikwoche Löwenstein

Große Musik mit Abschieden

400 Zuhörerinnen und Zuhörer in der einzigartigen Heilbronner Kilianskirche: Das Abschlusskonzert mit Solisten, Chor, Jugendchor und Orchester der 31. Musikwoche Löwenstein am 2. April war ein großer Erfolg und zugleich ein Höhepunkt in der Geschichte der traditionsreichen Veranstaltung. In der besonderen Atmosphäre und herausragenden Akustik der Kilianskirche kamen, wie immer bei der Musikwoche Löwenstein, vor allem Werke von deutschen Komponisten aus Südosteuropa zur Aufführung. Die Leitung hatte die Wiener Kantorin und Organistin Erzsébet Windhager-Geréd, den Jugendchor dirigierte die Gesangspädagogin Gertraud Winter aus Augsburg. Aufgeführt wurde in der Edition des Musiknoten-Verlags von Frieder Latzina die Ouvertüre von Carl Filtsch (1830-45), dem „siebenbürgischen Wunderkind“.

Der in Mühlbach geborene Filtsch war bekanntlich wie ein Komet in den Klavierhimmel seiner Zeit geschossen, war Schüler von Chopin und Liszt und wurde von diesen bewundert. Tragischer Weise starb er bereits mit 15 Jahren an der Schwindsucht. Bekannt waren bislang nur Klavierkompositionen von ihm – die Ouvertüre offenbarte aber eine erstaunliche Meisterschaft im Umgang mit Melodien und Instrumenten, die einher geht mit jugendlichem Elan und konzertanter Dramatik.

 

Das Orchester der Musikwoche präsentierte sich dabei zupackend und ausgewogen in allen Registern. Die junge Geigerin Sarah Christian, längst ein international gefeierter Star und Konzertmeisterin der Bremer Kammerphilharmonie, führte das Ensemble erstmals als Konzertmeisterin an und agierte dabei ebenso souverän wie vorbildhaft gerade für die vielen jungen Instrumentalisten: Knapp die Hälfte aller 120 Teilnehmenden der Musikwoche ist jünger als 18 Jahre – auch dies ein Markenzeichen der Veranstaltung. Die Bläserriege des Orchesters wurde unterstützt von einer Oboistin und einem Klarinettisten von der Musikakademie in Iasi sowie einem Fagottisten von der Musikhochschule Temeswar. Die Interpretation der Ouvertüre war auch Peter Szaunig gewidmet, der die Musikwoche ebenso mitgegründet hat wie den Carl-Filtsch-Wettbewerb in Hermannstadt. 2015 ist er verstorben.

 

Ein weiteres Werk des Abends war die Motette „Vias tuas domine“ von Philipp Caudella (1771-1826), der als Klavierlehrer in Wien, später als Kapellmeister in Klausenburg und schließlich als katholischer Kantor in Hermannstadt wirkte, zugleich aber auch als Lehrer am evangelischen Gymnasium tätig war und zudem das evangelische Choralbuch neu herausgab. Er war ein wichtiger Musiker, der für dieses Werk eine sehr ungewöhnliche Besetzung wählte: Solosopran, solistische Orgel, Orchester und Chor. Die Motette gab Melinda Sámson Gelegenheit, ihre runde, warm timbrierte Stimme einzusetzen und mit Organistin Andrea Kulin reizend in einen klassischen, figurierten Dialog zu treten. Sámson leitete als Dozentin erstmals die Gesangsklasse der Musikwoche.

Im Klarinettenkonzert des russisch-jüdischen Komponisten Mieczysław Weinberg (1919-1996) spielte Werner Buchmann, Hobbybläser mit professionellen Fähigkeiten, den anrührenden, über einem Streicherteppich ins höchste Register entrückten, Solopart.

 

Hauptwerk des Abends war schließlich das völlig unbekannte Requiem des Temeswarer Domkapellmeisters Wilhelm Franz Speer (1823-1898): ein hochromantisches Werk, in dem plastische Schilderungen des Jüngsten Gerichtes ebenso Platz finden wie Aspekte von Trauer, Trost und stillem Gedenken. Die Einflüsse des Mozart’schen Requiems sind deutlich. Bemerkenswert ist der sanfte Charakter des „Tuba mirum. Der Chor der Musikwoche wuchs hier über sich hinaus und konnte mit den vier großartigen Sängern Bettina Wallbrecht (Sopran), Renate Dasch (Alt), Hans Straub (Tenor) und Philipp Hasper (Bariton) auch die Solistenparts aus den eigenen Reihen stellten. Die Notenausgabe hatte Dr. Franz Metz besorgt, Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa, also desjenigen Vereins, der Träger der Musikwoche Löwenstein ist.

 

Zugleich war diese Aufführung ein schönes Abschiedsgeschenk für Dirigentin Erzsébet Windhager-Geréd, die sich nach vierjähriger Mitwirkung von der Musikwoche Löwenstein verabschiedete. Sie hat diese musikalisch und menschlich mit ihrer Energie und Einfühlsamkeit in herausragender Weise geprägt und Chor und Orchester zu neuen Höhen geführt. Die Nachfolge steht noch nicht fest. Bemerkenswert war auch der Auftritt des über 50-köpfigen Jugendchores, der unter Leitung von Gertraud Winter und begleitet von Liane Christian mit Frische, Klarheit und Festigkeit ein in wenigen Proben erarbeitetes Programm fabelhaft präsentierte.

 

Nicht zuletzt war das Abschlusskonzert der Musikwoche dem Andenken von Harald Christian gewidmet, ihrem im Herbst 2015 verstorbenen langjährigen Konzertmeister und Violindozenten. Mit Harald Christian haben nicht nur die „Löwensteiner“ ein prägendes, väterliches Vorbild und einen einzigartigen Musiker verloren.

 

Freilich bestand die Musikwoche Löwenstein, die vom 28. März bis 3. April in der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein an gewohnt idyllischem Ort stattfand, noch aus vielen anderen kleinen Konzerten, Andachten, Zusammenkünften, Proben und wunderbaren menschlichen Begegnungen. Deutlich wurde dabei, wie diese Veranstaltungen über alle Generationen hinweg in der Lage ist, mehr als 120 Menschen in der Musik zusammenzuführen – und vielen von ihnen eine Bühne mit dankbarem Publikum zu bieten.

 

Eine entscheidende Arbeit leisteten dabei die Dozenten der Musikwoche: Liane Christian (Klavier), Christian Turck (Orchesterleitung, Klavier), Jörg Meschendörfer (Cello, Salonorchester), Sarah Christian (Violine), Brigitte Schnabel (Kammermusik), Bärbel Tirler (Holzbläser), Franz Windhager (Blechbläser), Erzsébet Windhager-Geréd (Musikalische Gesamtleitung), Melinda Sámson (Gesang), Gertraud Winter (Jugendchor und musikalische Früherziehung), Sabine Hörwick (Kinderbetreuung) sowie Bettina Wallbrecht (Organisation, Tanz) und Johannes Killyen (Organisation).

 

Nicht möglich gewesen wäre alle Arbeit ohne die finanzielle Unterstützung des Innenministeriums Baden-Württemberg, des Kulturreferates für Südosteuropa im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, der Heimatgemeinschaft der Kronstädter in Deutschland, der Heimatgemeinschaft der Deutschen aus Hermannstadt sowie des Verbands der Siebenbürger Sachsen, Kreisgruppe Heilbronn, und der Kiliansgemeinde Heilbronn.

 

Am Rande der Musikwoche fand die Mitgliederversammlung der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa statt, geleitet vom stellvertretenden Vorsitzenden Johannes Killyen in Vertretung des verhinderten Vorsitzenden Dr. Franz Metz. In den Vorstand gewählt wurde für den verstorbenen Harald Christian Erzsébet Windhager-Geréd, zur zweiten Stellvertretenden Vorsitzenden wählten die Mitglieder Angelika Meltzer. Die Mitgliederversammlung beschloss weiterhin, den jährlich seit vier Jahren verliehenen Wolfgang-Meschendörfer-Jugendförderpreis (im Gedenken an den früheren Leiter) für besondere Verdienste um die Musikwoche und herausragende musikalische Leistungen an die Geigerin, Bratscherin und Pianistin Alexandra Mitlianski aus Augsburg zu verleihen.

 

Johannes Killyen