Nachbericht zur 32. Musikwoche Löwenstein

Von Berlin über Wien nach Hermannstadt

32. Musikwoche Löwenstein stellt Johann Leopold Bella und die Beziehungen zwischen Romantik und Reformation in den Mittelpunkt

 

Die 32. Löwensteiner Musikwoche hat mit Johann Leopold Bella (1843-1936) einen der wichtigsten siebenbürgischen Komponisten ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Im Abschlusskonzert am 22. April in der gut besuchen Kilianskirche Heilbronn führten die Ensembles der Musikwoche unter der Leitung von Wilhelm Schmidts zwei Kantaten von Bella auf.

 

Bella war 40 Jahre lang nicht nur Stadtkantor, sondern Dreh- und Angelpunkt des Hermannstädter Musiklebens. Der gebürtige Slowake trat auch zum evangelischen Bekenntnis über – erhielt im dann rumänischen Siebenbürgen jedoch nicht die rumänische Staatsbürgerschaft und musste 1921 das Land verlassen. Eine Tragödie für den fast 80-Jährigen, der in seine slowakische Heimat zurückkehrte und dort bis heute als Nationalkomponist gilt.

 

Kammermusikwerke Bellas waren bei der Löwensteiner Musikwoche schon öfter gespielt worden. Erstmals widmeten sich nun auch Chor und Orchester seinen Kompositionen: Die Kantate „Wende dich zu uns“ ist reife, chromatisch durchwirkte spätromantische Musik mit wunderbarer Melodik. Besonders die Bläser lässt der Komponist gut zur Geltung kommen. Während dieses Werk vom Hermannstädter Bachchor immer wieder aufgeführt wurde, war die Reformationskantate „Gott sei mir gnädig“ seit den Lebzeiten Bellas möglicherweise nicht mehr erklungen. Gespielt wurde direkt aus Kopien des wunderschön aufgezeichneten Autographs. Diese Kantate ist in den Ecksätzen sauber durchgearbeitet und überrascht mit einem wahren Juwel als Mittelsatz, in dem Philipp Hasper als Solobariton glänzen konnte.

 

Bellas Kantaten waren eingebettet in ein Programm, das Dirigent Wilhelm Schmidts klug zusammengestellt und unter das Motto „Reformation und Romantik“ gestellt hatte. Passend zum Reformationsjahr 2017 präsentierten Chor und Orchester der Musikwoche zuerst die Festouvertüre „Ein feste Burg ist unser Gott“ von Otto Nicolai, dem Gründer der Wiener Philharmoniker. Ebenso aufgeführt wurde das kurze chorsinfonische Werk „Verleih uns Frieden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Damit wurde eine gedankliche Linie von Berlin über Wien bis nach Hermannstadt gezogen – und zugleich der zentralen Aufgabe der Musikwoche Rechnung getragen: Musik deutscher Komponisten aus Südosteuropa aufzuführen und der Vergessenheit zu entreißen.

 

Den Auftakt des Konzertes mit über 250 Besucherinnen und Besucher bildete wie gewohnt ein Auftritt des Jugendchores der Musikwoche, der unter der Leitung von Gertraud Winter und begleitet von Klavierdozentin Liane Christian zu einem sehr homogenen Gesamtklang fand. Trotz vielfach wechselnder Besetzung hat die Gesangspädagogin aus Augsburg das 40-köpfige Ensemble über Jahre hinweg kontinuierlich entwickelt. Besonders bemerkenswert klangen diesmal die jungen Männerstimmen.

 

Ein hervorragender Einstand gelang Wilhelm Schmidts, der als Universitätsmusikdirektor in Bamberg sowie als Dozent an der Universität Würzburg tätig ist und erstmals die musikalische Gesamtleitung der Musikwoche übernahm. Der aus Reps stammende Organist, Kirchenmusiker und Dirigent formte mit Präzision, Einsatz, Professionalität und Liebenswürdigkeit die Ensembles mit Musikern aller Generationen in nur fünf Tagen zu einem großartigen Klangkörper. Im Ergebnis stand ein wunderbares Konzert. Entscheidend daran beteiligt war auch der Geiger Ilarie Dinu aus Recklinghausen, der erstmals die Konzertmeisterposition der Musikwoche übernahm und zugleich als Dozent die hohen Streicher anleitete. Christian Turck war für die Orchestereinstudierung und Korrepetition zuständig. Mit glockenhellem Solosopran: Gesangsdozentin Melinda Samsón aus Hermannstadt.

 

Auch jenseits der intensiven Vorbereitungen auf das Abschlusskonzert wurde in der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein, mitten in den Löwensteiner Weinbergen, von morgens bis abends musiziert – vom morgendlichen Weckruf bis zur fröhlichen Nachtmusik. In zwei internen Abendkonzerten und einer Matinee erklangen erste kleine Klavierstücke ebenso wie vollendet dargebotene Violinsonaten. Viel wurde zusammen geprobt und erarbeitet. Es wurde gesungen und getanzt, das Salonorchester unter Leitung von Cellodozent Jörg Meschendörfer spielte prächtig auf. Weitere engagierte Dozenten waren: Bärbel Tirler (Holzbläser), Jörn Wegmann (Blechbläser – auch er erstmals bei der Musikwoche) und Brigitte Schnabel (Streicher-Kammermusik). Sabine Hörwick übernahm die Kinderbetreuung. Die Gesamtorganisation lag in den Händen von Bettina Wallbrecht (zugleich für das Tanzen zuständig) und Johannes Killyen. Zu Gast waren wiederum zwei junge Musiker von der Musikhochschule im rumänischen Iasi. Den Wolfgang-Meschendörfer-Förderpreis für Nachwuchsmusiker, die sich durch besondere musikalische Leistungen und Engagement um die Musikwoche verdient gemacht haben, erhielt diesmal der 16-jährige Trompeter Benjamin Killyen aus Dessau-Roßlau.

 

Im Rahmen der Musikwoche tagte auch die Mitgliederversammlung ihres Trägervereins, der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa. Sie beschloss, den 2015 verstorbenen langjährigen Konzertmeister der Musikwoche, Harald Christian, postum zum Ehrenmitglied zu ernennen. Nicht möglich gewesen wäre die Musikwoche ohne die Unterstützung des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg, der Heimatgemeinschaft der Deutschen in Hermannstadt, der Heimatortsgemeinschaft der Kronstädter und der Kreisgruppe Heilbronn im Verband der Siebenbürger Sachen. Die 33. Musikwoche findet wieder in der nachösterlichen Woche statt, vom 2. bis 8. April 2018.

 

Text: Johannes Killyen