Nachbericht zur 37. Musikwoche Löwenstein

Mit zwei neuen Dirigenten zurück zur Normalität

„Wohltuende Normalität“ – so könnte eine von vielen Überschriften über der Musikwoche Löwenstein 2023 lauten, denn die 37. Musikwoche der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im Südöstlichen Europa (GDMSE) fand nach 2022 auch heuer wieder zum gewohnten Zeitpunkt in der nachösterlichen Woche statt. Zudem kam sie diesmal auch ganz ohne pandemiebedingte Einschränkungen aus: Es fühlte sich für die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an „wie immer“.

„Willkommene Rückkehrer“ wäre eine weitere passende Überschrift, denn unter den 120 begeisterten Laienmusikerinnen und -musikern aus allen Altersgruppen, die in diesem Jahr mitmusizierten, waren einige junge Eltern, die zuletzt selbst vor mehr als 20 Jahren als Jugendliche an der Musikwoche teilgenommen hatten und nun zum ersten Mal mit ihren Kindern dabei waren. Auch wenn sich Löwenstein in dieser Zeit weiterentwickelt hat, fanden sie und ihre Kinder schnell Anknüpfungspunkte, Freundschaften und in den Rhythmus der mit Proben verschiedenster Art durchgeplanten Woche hinein. Kammermusik-, Chor- und Orchesterproben erstreckten sich vom musikalischen Wecken am Morgen bis weit in den Abend hinein. Und selbst die Kleinsten machten in der musikalischen Früherziehung erste Erfahrungen mit ihrer Stimme und mit verschiedenen Instrumenten.

 

Das Motto „neue Besen kehren gut“ würde den beiden neuen Dirigenten Andreas Schein (Gesamtleitung Chor und Orchester) und Markus Piringer (Jugendchor) als gänzlich unmusikalische Metapher zwar nicht gerecht, aber die Kernaussage stimmt: Die zwei jungen Musiker – Schein geboren 1997 in Temeswar und Piringer geboren 1990 in Mühlbach –, die gemeinsam ihren Einstand bei der Musikwoche gaben, lenkten auf freundliche und durchaus mitreißende Art und Weise die konzentrierte Probenarbeit der Woche gemeinsam mit Andrea Kulin, die ihre große Erfahrung als Dirigentin, Kirchenmusikerin und Mitwirkende bei vielen Löwensteiner Musikwochen eintrug. Zudem brachten die zwei ihre musikalischen Talente an vielen Stellen und in verschiedenen Ensembles ein: Andreas Schein etwa am Cello im Salonorchester und Markus Piringer als Korrepetitor bei vielen Chorproben des gemischten Chores.

 

Das Ergebnis dieser fruchtbaren Zusammenarbeit war ein Abschlusskonzert am 15. April in der Kilianskirche Heilbronn, das den mehr als 300 Zuhörenden im Publikum ein abwechslungs- und farbenreiches Klangerlebnis auf hohem musikalischem Niveau bot. Der Jugendchor eröffnete das Konzert mit einem Lied von Guido von Pogatschnigg (1867–1937): „Cantate Domino“. Singet dem Herrn! Welch passendes Motto für das Konzert, das im Rahmen der Stunde der Kirchenmusik stattfand. Keine Berührungsängste mit anspruchsvoller A-Capella-Musik siebenbürgischer Komponisten zeigte Piringer mit seiner Stückauswahl für die rund 30 jungen Sängerinnen und Sänger: Die Darbietung der „Siebenbürgischen Elegie“ von Ernst Irtel (1917–2003) nach einem Gedicht von Adolf Meschendörfer (1877–1963) beeindruckte das Publikum mit seinem Ausdruck und seiner Intonationssicherheit. „Gott gebe mir nur jeden Tag“ von Prof. Dr. Heinz Acker (*1942) erklang zum Schluss des ersten Konzertblocks, einfühlsam begleitet durch Liane Christian am Klavier und Isabella Schöne an der Oboe.

 

Schnell tauschten viele der jungen Sängerinnen nun die Chormappe gegen eine Geige, Trompete, ein Fagott oder Paukenschlägel und nahmen mit den anderen Orchestermusikerinnen und -musikern der Musikwoche Platz für das erste Orchesterstück des Abends: Franz Lehárs (1870–1948) Ouvertüre für Orchester „Eine Vision. Meine Jugendzeit.“, ein sehnsuchtsvoll schwelgendes Werk mit lebhaftem Mittelteil und vielen ungarischen Anklängen, erfüllte die Kilianskirche mit seinem vollen Klang und die Zuhörer mit Begeisterung.

 

Zum Orchester kam nun auch der Chor der Musikwoche auf die Bühne und den Platz am Dirigentenpult übernahm Andrea Kulin von Andreas Schein. Geheimnisvoll begann Franz Xaver Dresslers (1898–1981) „Epitaph“ in seiner Uraufführung mit Chor, Sopransolo und einer Orchestrierung von Prof. Dr. Heinz Acker anstatt der ursprünglichen Orgelbegleitung. Herausgegeben hat dieses Werk Frieder Latzina. Die Textgrundlage ist ein Gedicht von Hermann Pitters (*1932) mit Textzeilen aus einem Epitaph in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche. Archaisch anmutende Gregorianik wechselte mit Dresslers moderner dissonanzgeschärfter Klangsprache und einem warmen, tröstenden Sopransolo, gesungen von Agnes Dasch.

 

Für Vincens Mascheks (ca. 1800–1875) „Missa in C“ für Chor, Solisten und Orchester komplettierten Mara Perlea (Alt), Hans Straub (Tenor) und Johannes Dasch (Bass) das Solistenquartett und Andres Schein übernahm wieder die Leitung. Die Messe in C-Dur, ein gutes Beispiel für die gehobene kirchenmusikalische Tätigkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Banat und in Siebenbürgen, war erst im Sommer 2022 auf dem Dachboden der katholischen Kirche der ehemals schwäbischen Gemeinde Guttenbrunn (Zabrani) entdeckt worden. Andreas Schein hat es extra für dieses Konzert bearbeitet und selbst herausgegeben. Präzise, einfühlsam und mitreißend präsentierten Chor, Orchester und Solisten dieses abwechslungsreiche Werk.

 

Voller Phantasie und Temperament spielte dann das Orchester Emmerich Ripkas (1877–1939) „Serbische Rhapsodie“, ein Werk für großes Orchester, in dem der Komponist verschiedene serbische Tänze eingearbeitet hat. Hier konnte das Orchester noch einmal seine große Spielfreude zeigen. Am Schluss des Konzerts erklang, nun wieder unter der Leitung von Andrea Kulin, „Siebenbürgen, Land des Segens“, das Siebenbürgenlied von Johann Lukas Hedwig (1802–1849). Diese Hymne ist ein Lobgesang auf die Landschaften, Menschen und die Geschichte Siebenbürgens und erklang in einer von Prof. Heinz Acker erstellten Fassung für Chor und Orchester. Als Zugabe durfte das Publikum die Hymne direkt im Anschluss noch einmal mitsingen. Ein langanhaltender Applaus belohnte alle Beteiligten.

 

Das Siebenbürgenlied wurde in diesem Konzert mit Unterstützung des Verbandes der Siebenbürger Sachsen Deutschland erstmals in einer Fassung für Chor und Orchester aufgenommen. Die Aufnahme wird künftig unter anderem im Musiksalon des Siebenbürgischen Museums auf Schloss Gundelsheim zu hören sein. Auch die Veröffentlichung im Internet ist geplant.

 

Fröhlich gefeiert wurde nach dem Konzert in der Tagungsstätte, besonders die Dirigentin und Dirigenten und die weiteren Dozentinnen und Dozenten: Ilarie Dinu (hohe Streicher, Konzertmeister), Jörg Meschendörfer (tiefe Streicher, Salonorchester), Brigitte Schnabel (Kammermusik), Dorothea von Kietzell (musikalische Früherziehung und Kammermusik), Brigitte Schnabel (Streicher-Kammermusik), Rita Marquardt (Holzbläser), Jörn Wegmann (Blechbläser), Agnes Dasch (Gesang), Liane Christian (Klavierkammermusik und Korrepetition), Christian Turck (Korrepetition), Bettina Meltzer und Johannes Killyen (Gesamtorganisation).

 

Selbstverständlich fanden im Rahmen der Musikwoche auch verschiedene interne Konzerte statt, in denen besonders solistische und kammermusikalische Stücke zum Vortrag kamen, gerade auch von den jungen Musikerinnen und Musikern. Als Vorbilder in Sachen Engagement und Talent wurden in diesem Jahr Leonore Marquardt und Joschua Franke mit dem Wolfgang-Meschendörfer-Förderpreis ausgezeichnet. Beide sind seit Jahren vielfältig bei der Musikwoche aktiv und führten heuer im Orchester die zweiten Geigen an. Zudem erhielt die Musikwoche Besuch: 20 Jahre nach ihrem ersten Auftritt unter diesem Namen bei der Musikwoche spielte die Gruppe „Lidertrun“ ein gut besuchtes Jubiläumskonzert in der Tagungsstätte. Weiterhin fand auch die Mitgliederversammlung der GDMSE statt.

 

Der Termin für 2024 steht mit der Woche vom 1. bis 7. April 2024 bereits fest. Die Ankündigung wird wie gewohnt in dieser Zeitung und auf www.suedost-musik.de erfolgen. Die Musikwoche Löwenstein dankt für die Unterstützung: Innenministerium Baden-Württemberg, HD Hermannstadt und HG der Kronstädter. 

 

Von Bettina Meltzer