Johann Lukas Hedwig (1802-1849)

Johann Lukas Hedwig wurde 1802 in Heldsdorf bei Kronstadt (Siebenbürgen) geboren. Schon früh machte die Musik auf den Bauernjungen einen so starken Eindruck, dass er die musikalischen Anregungen seines Heldsdorfers Volksschullehrers Georg Rheindt wissbegierig aufnahm. Ihm widmete er später einige Kompositionen. 1812 kam Hedwig an das Kronstädter Gymnasium, wurde Sängerknabe der Stadtpfarrkirche, Schüler des Stadtkantors Lucas Hermann und lernte Violine, Kontrabass und einige Blasinstrumente. Schon 1819 ging er nach Wien, wo er bei A. Jekel (Opernschule), J. Drechsler und J. Blumenthal (Generalbass, Komposition, Violine) studierte und 1823 eine Anstellung als Kontrabassist an der Hofoper bekam. Danach wirkte er in Wien auch als Musiklehrer. 1840 erhielt er aus Kronstadt die Berufung zum Stadtkantor und Musikdirektor an der Kathedralkirche (heute Schwarze Kirche), verbunden - wie in Siebenbürgen üblich - mit dem Amt des Gymnasialmusiklehrers. Ab 1844 war er auch als Leiter der Gesangsklassen an der Kronstädter "Violin- und Gesangsschule" tätig. Nach revolutionsbedingten Kampfhandlungen im Dezember 1848, an denen er sich als Mitglied der Bürgerwehr beteiligte, erkrankte er an Typhus und starb am 8. Januar 1849.

 

Johann Lukas Hedwigs Werke sind - selbst für siebenbürgische Verhältnisse - heute nur noch wenig bekannt, wurden zu seinen Lebzeiten jedoch häufig gespielt. Musikwissenschaftliche Untersuchungen hätten sich, da dank eines Tagebuchs die Biographie weitgehend geklärt ist, also in erster Linie um die zahlreichen Kompositionen zu kümmern. Sie sind bis auf die heute erklingende Osterkantate nicht gedruckt und in ihrer Bedeutung bislang schwer einzuschätzen. Das gros von Hedwigs Oeuvre machen geistliche und weltliche Vokalwerke aus, daneben sind Klavierlieder, kleinere Orchesterwerke, eine unvollendete Operette und eine Posse überliefert. Sein wohl bedeutendstes Werk, das Oratorium "Der Allmacht Wunder" für Soli, Chor und großes Orchester (1845-48) wurde zum letzten Mal 1902 in Kronstadt aufgeführt. Hedwigs populärste Komposition hat sich indes von ihrem Schöpfer längst emanzipiert: Das 1845 komponierte "Siebenbürgenlied", dem nachträglich der Text Max Moltkes ("Siebenbürgen, Land des Segens") unterlegt wurde. Es wird - vor allem von ausgewanderten Siebenbürgern - bis heute von Österreich bis Kanada gesungen.

 

Bis vor kurzem war kaum ein Werk Hedwigs gedruckt, und auch im Musikarchiv der Schwarzen Kirche oder im Kirchenarchiv von Heldsdorf liegen nur einige Autographe oder Abschriften. Bemerkenswert ist darum die Initiative des neu gegründeten "MusikNoten-Verlages Latzina, Karlsruhe", der es sich zum Ziel gesetzt hat, alle erreichbaren Werke Hedwigs herauszugeben. So sind im Laufe der letzten Jahre folgende Kantaten erschienen: Die Oster- und Pfingst-Kantate, eine Leichenkantate, Das Festlied, Der 1. Psalm, Heiliges Lied, Ein Loblied, Festgesang und "Der Herr ist König". Die letzte Neuerscheinung ist das Oratorium "Der Allmacht Wunder".

 

Anlässlich der Musikwoche Löwenstein aufgeführt:

 

Die Osterkantate entstand 1830 "zum Gebrauche beim öffentlichen Gottesdienste in den evangelischen Kirchen im Burzenland [Hochebene um Kronstadt] auf dem Lande". Diese Zueignung spiegelt sich in der melodiebetonten und harmonisch recht einfachen Tonsprache wider: Sie war auf dem Lande - wo Musik zwar nicht auf höchstem Niveau, aber von einer großen Masse gepflegt wurde - am meisten willkommen. Hedwigs Osterkantate wurde ursprünglich für Soli, Chor und Orgel komponiert, später fügte der Komponist den Orchesterpart hinzu. Sie steht ganz in der Tradition siebenbürgischer Dicta - volkstümliche Kantaten mit kurzen Solo-, Chor- und Orchesterpassagen sowie Rezitativen und Chorälen, die von der Gemeinde mitgesungen wurden. Der Text wurde von Christian Heyser, einem Prediger der Evangelischen Gemeinde A.B. in Wien verfasst.

 

Das Oratorium "Der Allmacht Wunder", die wohl bedeutendste und umfangreichste Komposition Hedwigs entstand 1845-1848. Sie sollte ursprünglich 23 Nummern enthalten, von denen Hedwig aber nur zehn beendet hat: die Ouvertüre, die Nummern 1-7 sowie 9 und 10 (Nr. 8 liegt nur als Entwurf vor). Die Nummern 11-23 blieben - wohl durch den frühen Tod Hedwigs - leider nur in Planung.

 

Obwohl Hedwig, als einziger herausragender Komponist der klassischen Periode in Siebenbürgen, die Werke der Wiener Klassiker und später der Romantiker gründlich kannte (lebte er doch über zwei Jahrzehnte in Wien), blieb er seinem Vorbild Joseph Haydn treu. Der Einfluss der großen Haydn-Oratorien ist unverkennbar. Aber auch Hedwigs Geistes- und Gemütslage zeigt Parallelen zu Haydn: das stille Sich-Bescheiden und Genügen-Lassen, das frische, kindliche, naturverbundene und gottesgläubige Temperament zeichnet auch unseren "siebenbürgischen" Haydn aus.

 

"Der Allmacht Wunder" wurde 1902, zur 100. Wiederkehr von Hedwigs Geburtstag, in Kronstadt unter Paul Richter zum ersten und lange Zeit einzigen Mal aufgeführt. Erst im Dezember 2003 folgte eine abermalige Aufführung in Kronstadt mit dem Kronstädter Bachchor unter Leitung von Eckart Schlandt und der Kronstädter Philharmonie. Eine Aufführung am 17. April zur Musikwoche Löwenstein 2004 in der Stiftskirche Öhringen stellte das Oratorium erstmals in Deutschland vor. Etliche weitere Werke Hedwigs wurden im Rahmen der Musikwoche bereits aufgeführt.

 

Frieder Latzina / Karl Teutsch

 

Literatur:

Hans Franz: Johann Lukas Hedwigs Siebenbürgenlied, in: Beiträge zur Musikgeschichte der Siebenbürger Sachsen = Musikgeschichtliche Studien 4b, hrsg. von Karl Teutsch, Gehann-Musik-Verlag, Kludenbach 1999, S. 62-69.